Rechtsleben

In der geschichtlichen Entwicklung ist das Recht vergleichsweise jung. In vorchristlicher Zeit waren Gesetzbücher, wie z.B. der berühmte Codex Hammurabi nur gültig für Kaiser, Könige, Priester und andere Amtspersonen. Erst Griechen und Römer entwickelten das Recht, wie es heute verstanden wird: Nämlich als Regelungsinhalt, der für alle Menschen gilt und für alle Menschen Rechte und Pflichten begründet. Die heutige Gesellschaft befindet sich wieder im Umbruch. Es wird mehr und mehr deutlich, dass das aus Rechten und Pflichten bestehende Rechtssystem zwar notwendig war, um die Individualität des Menschen in ihrer Entwicklung zu stärken, dass diese Form des Rechts aber angesichts des heutigen Stands der Individualisierung der Menschen notwendiger Weise in chaotische Verhältnisse führen muss. Es entstehen unüberschaubare Schuldverhältnisse, die nicht mehr mit dem traditionellen Recht zu entwirren

Rudolf Steiner beschreibt drei Stufen der gesellschaftlichen Entwicklung, die Machtgesellschaft, die Tauschgesellschaft und die Gemeingesellschaft. Während die hierarchisch gestalteten Verhältnisse in vorchristlicher Zeit Ausdruck der Machtgesellschaft waren, befinden wir uns mit dem von Griechen und Römern entwickelten Rechtssystem nunmehr seit über 2.000 Jahren in der Entwicklung der Tauschgesellschaft. Was heute als nächster Entwicklungsschritt ansteht, ist die Entwicklung der von Steiner sogenannten Gemeingesellschaft. In ihr werden Ansprüche und Schulden ersetzt durch Verantwortung und Vertrauen. Das Rechtssystem wird sich so umgestalten müssen, dass der Einzelne mitverantwortlich ist für das Gemeinwohl, wenn er im Rechtsverkehr tätig ist. Die Zeit, in der wir als Menschen die Verantwortung für das Gemeinwohl auf den Staat abschieben konnten, ist vorbei. Verantwortlich sind wir in Rechtsleben alle, jeder Einzelne von uns.

Mehrere Gruppen innerhalb der Sektion für Sozialwissenschaften haben sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten mit der Rechtsentwicklung und aktuellen juristischen Themen befasst, und zwar sowohl in offenen Tagungen wie auch in juristischen Fachzusammenkünften.
Bochum, den 27.10.2011, RA Ingo Krampen